Montag, 18. Februar 2008

Manfred Papst schreibt über den Brockhaus

Manfred Papst streichelte sich den Bauch und stöhnte. Ausgerechnet Hintergrund & Meinungen wollte etwas zum Brockhaus von ihm. Es kam ihm immer vor wie Fahnenflucht, wenn er sein angestammtes Kulturreservat verliess und das Gras über den Zaun fressen ging. Sollen die doch selbst was zum Brockhaus schreiben! Aber gut, 4000 Zeichen, das mochte es leiden; längere Texte sind ja leicht, da lässt es sich drauflos schreiben und die Korrekturen fallen weg, denn Korrekturen bedeuten Kürzungen, und Kürzungen bekommen einem langen Text überhaupt nicht. 
 
Manfred Papst schlenderte vom Schreibtisch zum Gestell mit den Rezensionsexemplaren und stierte ins Regal. Da waren viele schreckliche Bücher, aber ein Brockhaus war nicht darunter. Das wäre ja schön gewesen, dachte Manfred Papst plötzlich vergnügt, wenn er die letzte, kunstvoll eingebundene Ausgabe des Brockhaus als Rezensionsexemplar bestellte hätte: die ganzen Regalmeter, das gesamte Totschlagwissen für lau. Er musste lächeln. Lexikonkritik, das hätte er mal machen müssen. Doch einen papiernen Brockhaus hatte sich Manfred Papst schon länger nicht mehr gekauft. Kulturpessimismus war also nicht angebracht, wenn der Brockhaus ins Internet wandert und sich dort gratis feilbietet. 

Manfred Papst wanderte ebenfalls zurück ans Internet und klickte eine halbe Stunde auf unsinnige Querverweise, ehe ihm die «Süddeutsche» in den Sinn kam. Die «Süddeutsche» las er gern. Schon nur dieser viele Platz für die Kultur, und dann eine tägliche Medien-Seite! Manfred Papst putzte sich die Brille und stellte sich vor, eine Medien-Seite in der «NZZ am Sonntag» zu haben. Einer von den Jungen könnte das machen, solange es, Gott bewahre, nicht diese Fiona Hefti ist. Dann dämmerte es ihm: Hatte Manfred Papst in der «Süddeutschen» nicht etwas über den Brockhaus gelesen?

Er wühlte in einem Papierstoss neben dem Bilschirm und zog das Feuilleton hervor. «Das Wissen wirft keine Zeitfalten mehr». Welch schöner Titel! In München schreibt man die schöneren Titel, dachte Manfred Papst beglückt. In der Schweiz dagegen gelang niemandem solche Poesie. Hier schrieben öde Journalisten öde Doppelstöcker, die wie ein riesenhafter Meteorit über den Text hinabfallen und alles zerdrücken. Mit Grauen dachte Manfred Papst an den «Tages-Anzeiger» und dessen mehrstöckige Praxisausbildungstitel. Ihm wurde ein bisschen schlecht. 

Stirnrunzelnd las Manfred Papst den Kommentar von Andrian Kreye zum digitalen Brockhaus. Dieser Andrian Kreye, der schreibt immer so kompliziert, ärgerte sich Manfred Papst. Aber interessant! Vor allem der Abschnitt über den Parasitismus im Internet, über die Entwertung der Inhalte, wenn sie immer weiter geklont werden, das war sehr brauchbar. Gäbe es doch in Zürich auch solche klugen Köpfe! Behutsam legte er das Feuilleton zurück auf die Beige und begann zu schreiben. Den Gedanken mit dem Parasitismus wollte er einbringen. Das war zwar auch irgendwie Ideenklau, selbst parasitär, ebenfalls eine Art von Entwertung der Inhalte. Aber dies war ja nicht das Internet, sondern eine richtige Zeitung. Manfred Papst gluckste und schrieb immer schneller. 

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